Seo Jones saß auf einer Bombe. Nach etlichen Monaten intensiver Arbeit hatte er das Gebrabbel de Stottersteine vom Starnberger See entschlüsselt. Das Quintett der Dauersummer zu vereinen war eine der Aufgaben, an denen sich schon sein Vater vergebens versucht hatte. 30 Jahre waren ins Land gegangen und mehrere Tausend Euro gezahlt worden, ehe es endlich klappte und alle fünf Steine im gut gesicherten Bunker der Universität lagen. Jetzt fehlte dem Professor für Linkologie nur das passende Publikum, um das Geheimnis zu enthüllen. Schließlich ging es um nicht mehr und nicht weniger als den Algorithmus des großes Geistes.
In die Überlegung, welche Veranstaltung geeignet wäre, platzte seine Sekretärin Anna Lytics. „Professor, hier ist eine Einladung von einem gewissen Herrn Kratz zu 50 Leute und 100 Steaks.“ „Kohle oder Gas?“ „Wie?“ „Ich will wissen, ob die Kohlen zum Glühen bringen oder einfach nur den Gashahn aufdrehen.“ Die Stille hielt nicht lange. „Dann verbinde ich Sie eben mit dem Herrn“, sagte Anna Lytics. Als das Telefon klingelte, huschte ein Lächeln über das Gesicht von Seo Jones: „Na, Karl. Wessen Synapsen machst Du Feuer unterm Hintern?“ Die sonore Stimme am anderen Ende der Leitung klang nach einem breiten Grinsen. „Dir, Captain OnPage, Mediadonis und noch ein paar anderen Experten, die gutes Fleisch und ein Schwätzchen zu schätzen zu wissen.“ „Dann leg‘ mir mal die dicksten Steaks beiseite.“
Vier Wochen später, Seo Jones hatte sich bis dahin auf die Zunge beißen müssen, um nichts über den Algorithmus zu verraten, stand er im Grünen. Der Grill – sehr zur Freude des Professors mit weiß glühenden Kohlen bestückt – verbreitete einen himmlischen Duft. Die Liaison der Röstaromen von Fleisch und Gemüsespießen sorgte für gute Laune. Seo Jones plauderte mit Minivip, einigen Linkneulingen und hatte Karl Kratz ganz nebenbei angedeutet, was er entdeckt hatte. Dem Online-Marketender wäre dabei fast die Zange in den Grill und die Sonnenbrille von der Nase gefallen. „Ist nicht wahr.“ Mehr brachte er nicht raus.
Bis zum großen Moment verging noch ein wenig Zeit. Captain OnPage genoss sein viertes Würstchen. „Guck mal Papa, so viel Senf“, rief er seinem Ziehvater Mediadonis zu. Der stupste Seo Jones in die Rippen. „Die Kleinen werden so schnell groß.“ Länger währte die Unterhaltung nicht, weil Karl Kratz eine Kuhglocke schwang und zur Ruhe mahnte. „Seo Jones ist das Unglaubliche gelungen. Er kennt den Algorithmus des großen Geistes. Ihr seid die Ersten, die eingeweiht werden.“ Die Worte zeigten Wirkung. Ein Raunen ging durch die Menge, gefolgt von einem Aufschrei. Captain OnPage zitterte und fiel hin. Irinerl, eine seiner Bekannten, kniete sofort neben ihm. Doch der Superhero reagierte nicht. Auch Mediadonis eilte sofort zum Captain. „Ruft einen Krankenwagen. Wir bringen ihn zu Professor Mario Serpino.“
In der Praxis des Mediziners herrschte Totenstille. Mediadonis wischte sich schweigend eine Träne aus den Augen. Minivip, Karl Kratz, Seo Jones und der Spielkamerad von Captain OnPage, das kleine Serverlein, warteten schweigend auf Professor Serpino. „Meine Herren. Wir haben dem Patienten hoch konzentrierten Linkjuice gegeben, die Sichtbarkeit der Superkräfte um den Faktor 10.0 erhöht und beobachten im Sekundentakt die WDF*IDF-Kurve. Bislang ohne Erfolg.“ Der Ziehvater des Helden sackte in sich zusammen und musste von Seo Jones gestützt werden. „Da ist noch etwas“, sagte der Arzt, „die Augen von Captain OnPage sind schwarz.“ Der Experte bezeichnete das Phänomen als unerklärlich und ließ die Freunde mit ihren Gedanken zurück.
„Helft meinem Jungen.“ Mediadonis sprach die Bitte sehr leise aus. Seo Jones lotste die Gruppe in den Vorraum. „Karl, Du hängst Dich ans Telefon und fragst jeden, der Dir einfällt. Serverlein, Du bleibst hier und passt auf Mediadonis auf. Minivip fährt zur Grillparty und beruhigt die Gäste. Ich mache mich auf den Weg zur Bibliothek.“ Gesagt, getan. Dank seiner Kontakte war es für den Linkologen kein Problem, auch die Bücher zu durchforsten, die eigentlich niemand zu Gesicht bekommen durfte. Dunkle Kräfte hatten sich auf dem längst vergilbten Papier verewigt. Fündig wurde Seo Jones im 48. Buch. Die Handschrift aus einer Zeit, als Menschen die Links noch weit mehr verehrten, erklärte die schwarzen Augen als schwarzen Schlaf. Die Folge eines Fluchs, ausgesprochen von einem mächtigen Geist.
Diese Materie überstieg das Wissen des Linkologie-Professors. Rat wusste in dem Fall nur einer: Wu, ein kauziger alter Mann, der sich ganz der Geschichte der Geister und Dämonen verschrieben hatte. Einen Anruf konnte sich Seo Jones sparen. Technik war dem Greis ein Graus. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als zu fahren. Bis zum Kuriositätenladen des Mr. Wu waren es 75 Kilometer. Karl Kratz, der im Büro in Windeseile zu Seokratzes mutierte, war auch noch keinen Schritt weiter.
„Seo Jones, wieder mal auf der Suche nach alten Links“, begrüßte der Mann hinter der Theke den Professor. Der Blick von Mr. Wu war hellwach. „Nein. Wir haben ein Problem“. Seo Jones erzählte von den schwarzen Augen und dem schwarzen Schlaf. Wu, den sonst nicht einmal ein schreiender Unterwelt-Troll aus der Ruhe brachte, wirkte von Minute zu Minute nervöser. Die Ader an seiner Schläfe pochte. „Das ist böse“, sagte er. „Folge mir. Es wird Dir nicht gefallen, was Du hörst.
Der dunkle nur von schwarzen Kerzen beleuchtet Raum im Keller des Gebäudes roch nach Moder. Mr. Wu saß auf einem Holzstuhl und bat Seo Jones, sich ebenfalls zu setzen. „Du hast die Stottersteine und weißt, was sie sagen.“ Da Wu die Antwort kannte, fuhr er fort, ohne auf die Reaktion von Seo zu warten. „Die fünf Steine stehen in direkter Verbindung zum großen Geist, den die Menschen in grauer Vorzeit nur G nannten oder Gu. Die Stottersteine wiederholen seine Gedanken aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Knackt jemand dieses Chiffre, wird der große Geist böse.“
Seo Jones brauchte ein paar Minuten, um das Gesagte zu verarbeiten. „Aber warum ist Captain OnPage krank? Ich habe das Geheimnis gelöst. Das verstehe ich nicht.“ Wu stand auf und nahm einen Stapel Papiere aus einem Schrank. „Ich zeige es Dir.“ Auf einem der Blätter war eine Zeichnung. Eine Wolke, die Wu als Gu bezeichnete, aus der Pfeile auf menschliche Figuren prasseln, die auf einer Art Glücksrad liegen. „Der große Geist nimmt nicht immer den, der sein Geheimnis kennt. Es kann jeden treffen, mit dem man in Verbindung steht, und das unmittelbar, bevor der Code offenbart werden soll.“
Meist dauere es Tage, bis sich die Krankheit vollends ausbreite. Captain OnPage sei durch seine Superkräfte besonders anfällig. „Eines der Opfer aus der Geschichte kennst Du. Denn Du bist nicht der Einzige, der die Stottersteine zu verstehen vermag“, sprach Wu. „König Ludwig II. von Bayern war nicht gestört oder verrückt. Er kannte die Botschaft der Steine vom Starnberger See und ging lieber ins Wasser als im schwarzen Schlaf dahinzusiechen.“
Mitten im Gespräch klingelte das Handy von Seo Jones. Karl Kratz meldete sich, dass es Captain OnPage von Minute zu Minute schlechter gehe. „Gibt es eine Lösung?“, fragte der Professor den Geister-Experten. „Ja. Du musst die fünf Steine wieder trennen und Dein Wissen löschen.“ „Wie, mein Wissen löschen.“ Wu hob den Zeigefinger. „Eines nach dem anderen. Erst die Steine.“ Der Linkologe rief Anna Lytics an und bat sie, die Steine in fünf verschiedenen Seen zu versenken. Es dauert ein wenig, bis sie den Erfolg der Aktion per SMS meldete. Danach machte sich Wu ans Werk. Er rührte Kräuter und Tinkturen zusammen, schob übel riechende Lappen in die Nasenlöcher des Professor und führte ihn per Hypnose auf eine Reise ins Ich.
„Was mache ich hier?“ Seo Jones konnte sich nicht mehr erinnern, warum er im Laden von Mr. Wu saß und was er dort eigentlich vorhatte. „Die Welt retten, was sonst.“ Seo Jones verstand kein Wort, auch nicht die Bitte von Wu: „Du musst einfach nur rufen: Großer Geist, das Vergessen ist mit mir.“ Der Professor zögerte. „Mach einfach.“ Wu ließ keinen Zweifel daran, dass es sein voller Ernst ist. Seo Jones sprach die Worte und meinte, ein leichtes Beben zu verspüren. Der schrullige Mann grinste. „Mein Tee scheint zu stark für Dich zu sein. Du gehst besser“, sagte Wu und brachte den Professor vor die Tür.
Zurück bei der Grillparty, es war schon dunkel, fühlte sich Seo Jones wie nach einer Druckbetankung mit bestem Wodka. Karl Kratz informierte ihn, dass Captain OnPage auf dem Wege der Besserung sei. Die Mediziner hätten einen Panda-Pinguin-Infekt als Ursache ausgemacht. Morgen sei der Held wieder auf dem Damm. „Irgendwas hatten wir zwei doch vor. Wenn ich nur wüsste was. Seit der Boden hier gewackelt hat, sind meine Synapsen irgendwie gestört“, meinte Karl, biss ins Würstchen und ließ sich von seiner Frau ein kühles Bier bringen.
Die Bildrechte liegen, wie unschwer zu vermuten, beim großen Bilder Jedi Meister Martin Missfeldt.
Hallo,
gleich mal bookmarken. Sowas muss man sich abends mal in Ruhe durchlesen…
Grüße
Gretus
tldr;
Zu kleine schrift, zu viel Text ohne Auflockerung mit Bildern, Listen usw.
Schade, bestimmt interessanter Artikel.
Da muss ich den beiden wirklich recht geben, der Text ist leider zu streng geschrieben und abgesehen davon ist es wirklich sehr viel Text ohne Bilder.
Thema ist zwar gut, fehlt auch wohl ein Ende der Geschichte oder seh ich das falsch?
Aber finde die Metapher der „Google-Suchmaschine“ wirklich amüsant.
@Andreas: Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Erstens ist das kein wirklich langer Text und zweitens muss man auch nicht immer alles in Bilderbuch-Form liefern. Der obige Artikel ist im Stil einer Geschichte geschrieben. Gibst du den nächsten Dan Brown in der Buchhandlung auch zurück und sagst: „Sorry, hätte der nur 50 Seiten hätte ich ihn gelesen und außerdem, da müssen noch mindestens 20 Fotos rein!“?
Könnte man super gut untermalen mit mehr Bilder!
Würde gefühlvoller rüber kommen!
Bei mir ging gleich ein Kopfkino los!
—Danke
—-stoonich
@Andreas in den meisten modernen Bowsern gibt es ja auch mittlerweile Features wie zoom, da kommt dann auch der blindeste an seine tägliche Portion Text…
Hi, bin gerade über deine Geschichte gestolpert. Finde Sie sehr gelungen, auch ohne Bilder ;-)
Habe herzlich gelacht über den Panda-Pinguin-Infekt. Eine Anmerkung zu den Bildern. Wenn ich ein Buch lese, sind es unter Umständen 600 Seiten ohne ein einziges Bild und trotzdem bleibt es – von der ersten bis zur letzten Seite – spannend und lustig wie dieser Beitrag.
Der „Panda-Pinguin-Infekt“ – köstlich! Vielen Dank für dieses witzige Geschichtle.
Gruß
Marcus