Google AdWords und die Brandkeys

Zum 14. September 2010 wird Google die Markenüberwachung in Europa aufheben. Inserenten haben damit die Möglichkeit fremde Markenbegriffe zu buchen und dort für Ihre eigenen Produkte zu werben. Deutschland reiht sich damit in eine Liste von Ländern ein, in denen dies schon heute möglich ist. Für die deutsche Online-Welt wird dies weitreichende Auswirkungen haben.

Bisher ist es gängige Praxis, dass Agenturen Brand Bidding für Ihre Kunden durchführen und auf den Markenbegriffen quasi zum Mindespreis den Traffic einkaufen. Mit diesem Privileg machen die Agenturen aktuell einen Großteil ihrer Einnahmen. Mit der fallenden Markenüberwachung wird es den Agenturen nicht mehr möglich sein den Traffic zum Mindestpreis zu kaufen, da sie gegen eine Fülle von Konkurrenten im Gebotsverfahren um jeden einzelnen Klick bieten müssen. Markenkeywords sind konversionsstark und die plötzliche Konkurrenz wird dazu führen, dass die Klickpreise in diesem Bereich explodieren. Die Agenturen werden in kürzester Zeit ein Vielfaches für den bisher extrem billigen Brandtraffic aufwenden müssen.

Spannend wird das ganze aber erst, wenn man betrachtet, wie sich diese Prozesse und CPCs auch auf andere Bereiche auswirken! Hierfür haben wir eine kleine Auflistung der Erwartungen und der offensichtlichen Auswirkung der neuen Markenrichtlinien für / aus Sicht verschiedener Markt-Parteien kommentiert.

Die Erwartungen / Auswirkungen aus Sicht des Merchants:

Die Erwartungen des Merchants sind zunächst einmal, gleiche Ergebnisse bei gleichen Kosten zu erhalten. Wie diese Erwartungen erfüllt werden, ist dem Merchant in der Regel erst einmal egal, da er für diese Tätigkeit ja einen Dienstleister (Agentur) hat. Ggf. existieren ohnehin langfristige Verträge mit klaren Zielvereinbarungen. Sofern der Dienstleister die Erwartungen nicht erfüllen kann, wird man versuchen den Druck zu erhöhen und ggf. über einen Wechsel des Dienstleisters oder Veränderungen am Konzept nachdenken. Alles in Allem wird der Merchant kein Interesse haben die zusätzlichen Kosten im Bereich der Brandkeywords zu tragen. Nichts desto trotz sieht sich der Merchant mit der Situation konfrontiert, dass Konkurrenten nun bei seinem Brand vor ihm stehen könnten, indem sie den Brand Traffic einfach besser bezahlen. Generell dürften durch den Wegfall des günstigen Brand Traffics zusätzliche Kosten für Merchants entstehen.

Die Erwartungen / Auswirkungen aus Sicht der Agentur:

Die Erwartung der Agentur wird sein, dass andere die durch die Veränderungen entstandenen Mehrkosten tragen. Die Agentur wird zunächst einmal nach Modellen suchen um die zusätzlichen Kosten auf andere Beteiligte abzuwälzen.

Viele Agenturen sind so genannte “Full-Service-Agenturen” welche in der Regel fünf verschiedene Bereiche des Online-Markting für Kunden anbieten:
Suchmaschinenoptimierung (SEO), Suchmaschinenmarketing (SEM), Display, E-Mail-Marketing und Werbung sowie Affiliate Marketing.

Beim SEM werden die Agenturen oft prozentual nach dem Netto Gesamtumsatz, der über SEM generiert wurde, vergütet. Gibt der Kunde hier mehr aus, verdienen die Agenturen mehr. Da aber meist ein Ziel-CPO ergo Ziel-CPC definiert wird, der nicht überschritten werden darf, werden die Agenturen mit höheren CPCs sehr zu kämpfen haben. Zusätzlich war es oft so, dass Agenturen einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen aus der Brand-Freigabe generiert haben. Manchmal waren die Verträge hier so einseitig aufgesetzt, dass die Agenturen einen großzügigen CPO pro Verkauf bekamen und das Geld, was bei Google zum Bieten auf den Brand benötigt wurde, mehr als abdeckte oder der Kunde das sowieso separat getragen hat. Oder eine prozentual steigende Vergütung am Netto-Gesamtumsatz über den Kanal SEM (oder SEA für die die jetzt aufschreien), je niedriger der Durchschnitts-CPC auf die gesamte Kampagne sank. Faktisch haben viele Agenturen mit den Mehreinnahmen, die Ihnen das Brandbidding beschert hat, viele andere Bereiche wie das Affiliate Marketing quer subventioniert.

Ein Beispiel für einen solchen Vertrag:
EndCPO: 5,- (Maximaler CPO der für Marketing ausgegeben werden darf)
Conversionrate auf den Brand und starken Brand Kombis: 15%
Conversionrate auf generische Keys: 1%
Conversionrate Longtail: 3%
CPC max bei Brandkeys: 0,25 EUR
CPC max bei generischen: 1,00 EUR
CPC max bei Longtail: 0,50 EUR
CTR auf Position #1: 30%
Suchvolumen Brand + Brand-Kombis: 200.000 pro Monat
Suchvolumen generisch: 3.000.000 pro Monat
Suchvolumen Longtail: 1.500.000 pro Monat
Sales pro Monat: 9.000
Klicks pro Monat: 60.000
Durchschnittlicher Warenkorb: 50,- EUR
Umsatz p.M.: 450.000 EUR

Die Vergütung der Agentur war dann z.B. so gestrickt:
Alle Kosten für das Buchen von Anzeigen über Google Adwords zahlt der Merchant in diesem Beispiel.

Bei einem Durchschnitts-CPC von 0,23-0,25 EUR bekommt die Agentur 5% auf den generierten Netto-Gesamtumsatz über Adwords.

Bei einem Durchschnitts-CPC von 0,19-0,22 EUR bekommt die Agentur 7% auf den generierten Netto-Gesamtumsatz über Adwords… und so fort.

Beispiel Brandkeys und Brand-Kombis:

Umsatz: 200.000/100*30=60.000 Klicks mit der CR von 15% = 9.000 Sales
9.000*50=450.000 EUR Netto Gesamtumsatz über SEM brand.

Kosten: 60.000 Klicks zu 0,25 EUR = 15.000 EUR…

Hier werden die oben genannten Parameter vorraus gesetzt, die Tabelle zeigt den Verdienst der Agentur:

CPC Kosten Google Kosten Google pro Sale % Agentur Vergütung Kosten Agentur Kosten Agentur pro Sale Gesamt Kosten eCPO Differenz
0,19 11.400 1,26 10 45.000 5 56.400 -11.400
0,20 12.000 1,33 7 31.500 3,5 43.500 .500
0,21 12.600 1,40 7 31.500 3,5 44.100 900
0,22 13.200 1,46 7 31.500 3,5 44.700 300
0,23 13.800 1,53 5 22.500 2,5 35.300 9.700
0,24 14.400 1,60 5 22.500 2,5 36.900 8.100
0,25 15.000 1,66 5 22.500 2,5 37.500 7.500

 
Beispiel generische Keys:

Umsatz: 3.000.000/100*30=90.000 Klicks mit der CR von 1% = 9.000 Sales
9.000*50=450.000 EUR Netto Gesamtumsatz über SEM generisch.

Kosten: 90.000 Klicks zu 1,00 EUR = 90.000 EUR…

Hier werden die oben genannten Parameter vorraus gesetzt, die Tabelle zeigt den Verdienst der Agentur:

CPC Kosten Google Kosten Google pro Sale % Agentur Vergütung Kosten Agentur Kosten Agentur pro Sale Gesamt Kosten eCPO Differenz
0,85 76.500 8,50 10 45.000 5 120.500 -75.500
0,89 80.100 8,90 7 31.500 3,5 110.100 -65.100
0,90 81.000 9,00 7 31.500 3,5 112.500 -67.500
0,94 84.600 9,40 7 31.500 3,5 116.100 -71.100
0,95 85.500 9,50 5 22.500 2,5 108.000 -63.000
0,99 89.100 9,90 5 22.500 2,5 111.600 -66.600
1,00 90.000 10,00 5 22.500 2,5 112.500 -67.500

 Das selbe kann man nun auch für den Longtail weiterführen. Man sieht an diesem fiktiven Beispiel, dass die Kosten einer generischen Kampagne wesentlich höher sind. Unter anderem auch deshalb, weil JEDER auf diese Keywords bieten kann, und nach dem Bietverfahren von Adwords steigt somit der Preis des Klicks. Ebenso konvertieren generische Keywords in den meisten Fällen deutlich schlechter als Markenbegriffe – und es gibt weitaus mehr davon. Also ist so eine Kampagne auch wesentlich aufwendiger in der Verwaltung.

Der steigende CPC auf die Marke, der Kampf um umfangreiche Brand-Kombi und Generische SEM Kampagnen, sowie das bisher meist fehlende Know How der “Full-Service-Agenturen” im generischen SEM führen wahrscheinlich erst einmal zu umfangreichen Umsatzeinbußen. Sie werden in vielen Fällen den eCPO nicht halten können und haben deutlich mehr Arbeit mit den Kampagnen.

Optimierung der Anzeigentexte, Historie des Kontos und gutes Handwerk im Erstellen und Optimieren der Kampagnen wird sehr wichtig werden. Auch bei allen Marken.

Gleichzeitig fehlen Gelder für die Quersubventionierung anderer Kanäle wie des teuren Affiliate-Marketing. Ein Teufelskreis ;) Wahrscheinlich werden wieder mehr Agenturen auf neue Vergütungsmodelle umstellen, oder haben dies schon getan.. Jedenfalls jene die sich seit Anfang des Prozesses mit dieser Thematik beschäftigt haben.

Außerdem werden Agenturen versuchen wenigstens Publishern, die an einem Partnerprogramm teilnehmen, zu verbieten auf die Marke zu bieten. Und sie sonst aus dem Partnerprogramm, worüber ein Publisher ja Einnahmen generieren würde, zu verbannen.

Die Erwartungen / Auswirkungen aus Sicht des Publishers:

Die Erwartung des Publishers ist es mehr Traffic zu bekommen, da sich durch die Veränderungen die Möglichkeit ergibt auch im Bereich der Marken Traffic zu buchen. Der Publisher erhofft sich durch den Wegfall der Markenüberwachung zusätzlichen Traffic und höhere Einnahmen. Da Publisher bisher überwiegend generisches SEM gemacht haben, dürfte es für viele Publisher aufgrund ihres Know How Vorsprungs ein Leichtes sein gut performende Kampagnen aufzusetzen. Der Publisher ist in der komfortablen Situation seinen Traffic nicht nur zum Brand, sondern auch zu dessen Konkurrenz zu leiten.

Für den Publisher ergeben sich aber noch einige andere interessante Ansätze:

Der Publisher hat ein Interesse an möglichst hohen CPC im Brandbereich. Indem er SEM Kampagnen aufsetzt kann er Arbitrage betreiben. Darüber hinaus erreicht er ganz nebenbei, dass auch bei Brand Kampagnen auf die Performance geachtet wird. Viele Merchants werden es sich einfach nicht mehr leisten wollen oder können, um jeden Preis bei ihren Brands auf der ersten Position zu stehen. Alles in Allem wird sich dadurch eine Verschiebung in Richtung perfomanceorientierter Werbemaßnahmen und SEO ergeben.

Der CPC wird steigen und konvertierender Traffic wird teurer werden. Der Publisher verdient so mehr.

Die Erwartungen / Auswirkungen aus Sicht des Netzwerks:

Die Erwartung der Netzwerke ist es, mehr Traffic über die eigene Plattform zu ziehen, da Publisher die Möglichkeit haben Brandtraffic zu buchen. Dieser Traffic muss irgendwie konvertiert und abgerechnet werden und dies geschieht in alle Regel über die Netzwerke. Auch den Netzwerken selbst steht diese Trafficquelle nun zur Verfügung. Da viele Netzwerke ohnehin auch als Publisher tätig sind, werden sich die Netzwerke in Konkurrenz zu den Agenturen begeben. Spannungen zwischen Publishern und Netzwerken sowie zwischen Agenturen und Netzwerken sind vorprogrammiert.

[Gastautoren: Bianca Jacobi & Tobias Schwarz]

3 Gedanken zu „Google AdWords und die Brandkeys“

  1. Interessante Ausführungen,

    nur wird ein Faktor komplett ausser Acht gelassen. Der Markeninhaber hat nach wie vor die Möglichkeit dem Advertiser das Buchen der Marke gerichtlich zu untersagen. Es findet also vorraussichtlich eine Verlagerung der schützenden Instanz statt. Von Google zum EuGH wenn man so will! Fraglich is jedoch zum einen welche Argumente hat der Markeninhaber, wenn es um den Vertrieb eines Handelgutes bei einem Shop geht, den er selbst beliefert und zum anderen, ob auch weniger große Marken den Gang zum EuGH antreten werden? Ich vermute, dass erste Abmahnfälle hier Klarheit verschaffen.

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