Es mag viele Gründe geben einen Domainwechsel vorzunehmen. Wenn man dabei sowohl Besucher wie Suchmaschinen optimal bedienen will, sollte man einige Punkte beachten, die über 301-Redirects hinausgehen.
Wir haben uns – tut mit Leid Gerald – von suchmaschinen-optimierungen.info verabschiedet, obwohl ich es nach all den Jahren mittlerweile ausreichend schnell tippen konnte. Daher bot sich die ideale Gelegenheit, dies langfristig anzugehen und genau zu beobachten. Es folgen die Schritte in Form einer knappen Checkliste sowie die beobachteten Folgen, welche mich dann doch vereinzelt überrascht haben.
1. Ausgangssituation
Alle Inhalte sind auf der so genannten alten Domain online.
2. Neue Domain per 301 auf alte Domain
Als erstes haben wir die neue Domain registriert (in unserem Fall gekauft) und pauschal per 301 auf die alte Domain weitergeleitet.
3. Links auch auf die neue Domain
Die Monate danach folgten vereinzelt einige wenige Links auch auf die neue Domain, die per 301 natürlich noch auf die alte Domain weitergeleitet wurden. Kann ja nicht schaden.
4. Neue Domain befüllen
Im Hintergrund erarbeiteten wir Struktur, Inhalte etc. der neuen Domain. Alle anderen „Besucher“ wurden nach wie vor auf die alte Domain per 301 geleitet. Das geht beispielsweise per .htaccess auf IP-Basis ganz einfach. Dazu als Bedingung für die 301-Weiterleitung einfach die aktuelle eigene IP ausschließen. Das kann allenfalls ganz wenige Besucher versehentlich auf die neue, noch nicht öffentliche Webseite führen. Die könnte man dann per Overlay darauf hinweisen und/ oder anders erfassen und weiterleiten.
5. Vorbereitung des Domainwechsels
Nun haben wir alle URLs der alten Domain erfasst und den neuen URLs zugeordnet. Daraus wurden dann 301-Weiterleitungen erstellt. Zusätzlich haben wir auf der alten Domain das durchaus nicht ungefährliche rel=canonical auf die jeweilige URLs der neuen Domain gesetzt. Wer sich jetzt fragt, wieso ungefährlich, der braucht nicht lange zu suchen, bis er dieses Tag findet, indem auf allen Seiten nur die Domain eingetragen ist. Dadurch wollten wir sicherstellen, dass keinerlei Anschein doppelter Inhalte aufkommt und der Wechsel möglichst schnell und reibungslos verläuft.
Weiter sind beide Domains in den Google Webmaster Tools registriert. Unter Website-Konfiguration kann man hier Google direkt eine Adressänderung (nur der Second-Level-Domain) mitteilen. Dies geht aber nur vor der 301-Weiterleitung. Zusätzlich wurde auch eine neue XML-Sitemap angemeldet.
6. Domainwechsel
Dann haben wir die 301-Weiterleitungen sowie das rel=canonical veröffentlicht. Zudem fangen wir alle Referrer der 404-Fehlerseite der neuen Domain ab, um Lücken oder Tippfehler zu finden. Denn hier unterlaufen einem schnell auch mal kleine Fehler. Soweit möglich und zeitlich vertretbar haben wir dann auch ein paar Links von alte auf neue Domain angepasst.
7. Warten
Erstmal passierte rein gar nichts. Nicht mal die Blog-Subdomain auf WordPress-Basis wollte Google via Blog-Suche kennen. Für die PageRank-Fetischisten:
Domain-alt hatte PR5, die Blog-Subdomain PR4.
Domain-neu hatte PR5, die Blog-Subdomain PR4. Die auf die neue Domain gesetzten Links rechtfertigten diese Einstufung nicht, so dass ich von einer Spiegelung der Werte in den Google-Datacentern ausgehe.
8. Tag 4 nach dem Wechsel
Am vierten Tag nach dem Domainwechsel kam dann die erste kleine Überraschung. Beide Domains waren im Index: Domain-alt wie bisher und Domain-neu stieg ordentlich ein, meist nur ca. 8 bis 14 Plätze hinter Domain-alt. Im Index der neuen Domain waren nur 14 Seiten, die neue Blog-Subdomain war noch gar nicht indiziert.
9. Tag 5 nach dem Wechsel
Ich kann es vorweg nehmen: jetzt wurde es kurios. Denn am Tag 5 rankten beide Domains praktisch untereinander als eigenständige, verschiedene Treffer. Domain-alt dabei immer noch vor Domain-neu. Die Masse der Besucher kam nach wie vor über die alte Domain. Aufgrund der vielen „doppelten“ Rankings kamen sogar ca. 15% mehr Besucher. Nun waren schon 75 Seiten der neuen Domain im Index, wobei im Wesentlichen die Blog-Subdomain dafür verantwortlich war.
10. Tage 6 bis 10 nach dem Wechsel
Am Tag 6 nach dem Domainwechsel haben wir sicherheitshalber nochmals die ganzen Weiterleitungen der alten Domain gecheckt: keine Fehler. Besucher auf der Domain-alt gleich 0. Dennoch waren noch alle Seiten der alten Domain im Index und der Index der neuen Domain wuchs und wuchs. Die doppelten Rankings ebenso! Das ging ganze 4 Tage so. Dabei kann eigentlich keiner meckern, denn Missbrauch liegt hier fern. Ganz im Gegenteil wollten wir das sogar möglichst sauber machen. Wer also beispielsweise am Valentinstag oder einem ähnlich kurzen Zeitraum mit organischen Rankings seinen Umsatz macht, könnte das bei Gelegenheit mal im „Labor“ testen und prüfen.
11. Tag 11 nach dem Wechsel
Am 11. Tag wechselte dann die Reihenfolge: nun war die neue Domain vor der alten Domain. Aber die doppelten Ergebnisse untereinander waren nach wie vor in den Ergebnisseiten – und das obwohl wir einen wohl überdurchschnittlichen Aufwand unternommen hatten, um es Google offensichtlich möglichst leicht zu machen. PR-Einschub: der PR der neuen Domain wurde nun jeweils auf -1 verringert, was eher dem Wert der bisherigen Links auf die neue Domain entsprechen dürfte. Genauer habe ich das aber nicht verfolgt.
12. Tag 12 nach dem Wechsel
Nun fielen die Rankings der alten Domain langsam einige wenige Plätze zurück aber nach wie vor waren noch fast alle Seiten der alten Domain im Index. Es folgte praktisch der Vollzug des Wechsels synonym zum Anfang.
13. Tag 20 nach dem Wechsel
Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass Google nun endgültig die Rankings der alten Domain komplett raus nimmt und den Index abbaut. Aber noch heute, am Tag 20 nach dem Wechsel, sind fast alle Seiten der alten Domain im Index und manche ranken noch „irgendwo“ in den Top 100. Sistrix’ Toolbox weist daher auch noch einen kleinen Wert von 0,03 zu.
Ansonsten hat die neue Domain komplett die Rankings der alten übernommen. Da sich viele Dinge wie Inhalte, Struktur auch geändert haben, kann ich nicht beurteilen, inwieweit es durch den Domainwechsel zu einem Verlust, einem Filter oder Puffer, gekommen ist. Jedenfalls war ich über die lange Präsenz der doppelten Treffer mehr als erstaunt. Dies hätte ich eher bei 302 ohne weitere Aktionen erwartet. Letztlich gab es daher keinen kurzen Einbruch, wie man hätte erwarten können und die folgende Grafik aus Sistrix’ Toolbox nahelegt – ganz im Gegenteil.
Eure Erfahrungen?
Was hättet Ihr anders gemacht? Wie geht Ihr vor? Habt Ihr vergleichbare Erfahrungen beobachtet?
Robert Hartl ist Inhaber von NETPROFIT, einer kleinen Agentur in Passau, die sich vorwiegend um CMS, SEO und SEM kümmert. Wie dem Artikel zu entnehmen, findet Ihr mehr über NETPROFIT nun unter www.netprofit.de.
Irgendwie erstaunlich das ich mir schon immer im Unterbewusstsein gefragt habe wie so ein Domainwechsel Suchmaschienentechnisch ausfallen wird. Nun dank euer doch sehr umfangreichen Dokumentation bin ich etwas schlauer :-)
Wieder einmal besten Dank hierfür… das Ergebnis hat mich allerdings mindestens genauso erstaut wie ich…
Ich habe ähnliches bei meinem Domainwechsel erlebt. Allerdings wuselten die doppelten Ergebnisse damals noch weit länger im Index. Mal alte, mal neue Domain an oberster Position.
Ich glaube, je nachdem _was_ (Blog, Website, etc.) man umzieht und wie hoch die Sichtbarkeit des Projekts vorher war, schwankt dies merklich.
Google liebt Blogs – daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass hier ein Domainwechsel in seiner Gesamtheit schneller im Index zu sehen und abgeschlossen ist, als bei normalen Seiten (ohne sitemaps und pinging).
Just my 2ct.
Darf ich fragen, warum ihr als ersten Schritt die neue Domain per 301 auf die alte weitergeleitet habt? Inwiefern macht das Sinn?
Wir wollten die neue Domain noch nicht im Index haben, aber bereits darauf verlinken. Zudem sollte wegen des 301 Google die beiden Domains bereits „verknüpfen“.
Das war eine der theoretischen Vorüberlegungen, was hilfreich sein könnte. Allerdings hatte ich nicht den Eindruck, dass sich das wesentlich ausgewirkt hätte.
Hallo Robert,
also SEO-handwerklich kann man in der Tat absolut nichts dran aussetzen. Ich habe bei einem kleinen Projekt ebenso eine komplette Domain 301ed auf ein neues Projekt, inkl Webmastertools Umzugsmeldung und habe nach 6 Wochen immernoch erstaunlich viele Seiten der alten Domain im Index. Gut, ich habe alle Unterseiten 301ed auf die root der neuen Domain (inkompatible Seitenstrukturen), aber auch ich bin sehr erstaunt, wie schlecht es funktioniert. Bei deinem Beispiel hätte ich ja noch gemutmaßt, dass es einige Tage dauert, bis alle Datencenter die Umzugsinfo und 301 Info gespiegelt bekommen, aber selbst bei der Google-Infrastruktur sollte das nach ein paar Tagen durch sein. Ich bin jedenfalls ratlos, warum das so holprig funktioniert. Einen Vorteil hat es: Wenn eine Domain irrtümlich oder illegal 301ed würde, hätte man viel Zeit es rückgängig zu machen ohne Schaden :-)
Viele Grüße und viel Erfolg mit der neuen Domain, mekren kann man sie sich in der Tat super!
Markus
Das einzige was bei einem Spiegeln von neuer auf alter Domain passieren kann, ist ein Fake-PR, da die neue Domain noch nicht den nötigen Trust hat.
Dies wird ja später wieder abgewendet, da dann die alte Domain via 301 auf die neue umleitet. Und da die neue Domain ja relativ zügig aufgebaut wurde, sollte das Google auch nicht sonderlich schmerzen.
Schlimm wird’s erst nach ein paar Monaten PR-Grabbings. ;-)
Mal eine Frage. Verwendet ihr nicht den metatag „noarchive“ damit müsste Google doch die Domains aus dem Index löschen wenn Sie nicht mehr erreichbar ist. Aber wie verhält sich dieser Metatag wenn die Domain per 301 umgeleitet wird?
@Daniel Ganz so einfach ist das Thema sicherlich nicht. Wenn du dir mal auf der Seite http://googlewebmastercentral.blogspot.com/2010/05/url-removal-explained-part-iv-tracking.html die Kommentare von Marjory und Webnauts durchliest, dann merkst du, es ist gar nicht so einfach Links nur alleine mit 301-Weiterleitungen loszuwerden.
Gruss vom Bodensee
interessant und teilweise verblüffend…
Kann mir jemand sagen, wie sich ein Website-Relaunch mit neuem CMS auf der alten Domain auf die Google-Rankings aufswirkt auf Seitenn,
– deren URL gleich bleiben
– deren URL sich ändern
Vielen Dank!
Vielen Dank für das hilfreiche Protokoll! Wir machen gerade auch harte Zeiten durch ;) Domainwechsel von einer Keyword-Domain auf die Brand-Domain (haut mich nicht, bittebitte …) Die neue war schon einige Monate auf die alte ge301st und hatte den gleichen PR; rund eine Woche nach Umstellung haben wir jede Menge interessante Parallel-Rankings, dafür stockt jetzt die Indexierung etwas und der PR für beide Domains ist auf 0 gegangen, bei unveränderten SERPs. Das ist besser als jede Geisterbahn …
Habe das auch gerade hinter mir. Es hat ca. 4-5 Wochen gedauert bis zumindest unter den wichtigsten Keywords die alten Links verschwunden sind. Mit dem Meta-Tag rel=“canonical“ kann man in dieser Zeit eine Abwertung durch „duplicate content“ verhindern. Mittlerweile hat sich so bei mir alles wieder normalisiert.