Ein kritischer Blick auf den frisch geschlüpften Webdienst „alernia“: Hält er einer Herz-und-Nieren-Prüfung stand, und kann er in der Welt der Websuche einen Mehrwehrt bieten? Zumindest hält er einige Überraschungen parat…
Während die SEO-Welt gebannt auf den Kampf der Giganten der Suchmaschinenwelt – Baidu, Bing, Google und Yahoo – starrt, ist es immer wieder mal lohnenswert, den Blick schweifen zu lassen, denn nicht selten fällt dieser dann auf eine Blume am Wegesrand: Nützliche Alternativen zu den bisherigen Suchinstrumenten.
Derer gibt es so einige, und meist sind es Metasuchmaschinen wie Dogpile oder Metager, oder aber solche, hinter deren Kulissen eine der gängigen Suchmaschinen ihre Arbeit tut, mit irgendeiner zusätzlichen Besonderheit, wie beispielsweise Ecosia (Bing & Yahoo) für die Suche mit Regenwaldschutzeffekt oder Spacetime3d für die 3D-Darstellung der Suchergebnisse (Google).
Eine Neuheit im deutschsprachigen Bereich ist indes „alernia„, welches für sich beansprucht, „das mächtigste Eingabefeld des Internets“ zur Verfügung zu stellen. In der Hoffnung, nicht allzu viel Zeit mit einem Papiertiger zu verschwenden, probieren wir den Webdienst anlässlich seiner Neuerscheinung einfach mal aus.
Butler statt Selbstbedienung
Zunächst fällt ein eigentümliches Design auf: Eine Art Eingabetube statt Eingabefeld vor einer Hintergrundgrafik oder -animation, und zwar im unteren Bereich der Seite angesiedelt. Auf einen Suchknopf scheint „alernia“ zu verzichten. Bei der Eingabe – wenn man sie nicht zu früh per Entertaste abschickt – überrascht jedoch ein aufklappendes Menü. Es ist wahlweise per Pfeiltasten oder Maus steuerbar und bietet die Wahl an, anhand der eingegebenen Suchbegriffe Webseiten, Bilder, Downloads oder andere Dinge im Netz zu suchen. Also ähnlich wie bei Google die Optionen im oberen Bereich, allerdings sozusagen nicht als „gegenüberliegendes Wandregal“, sondern auf einem Tablett direkt heranserviert. „alernia“ will offenbar mit Komfort punkten.
Durchsuchen wir das Web. Eine Augenbraue hebt sich. Das sieht nach Google aus. In der Tat gibt „alernia“ dies im unten Bereich der Seite auch an. Ein Abgleich mit google.de, z.B. mit den Begriffen „bodybuilding“ oder „handy“, zeigt schließlich: Es sind zwar Google-Suchergebnisse, jedoch deutlich anders aufbereitet. Sie wirken bei „alernia“ aufgeräumter und ruhiger, man wird weniger irritiert von Bildern, Videohinweisen und Ergebnissen aus der Produktsuche, die sich sonst zwischen die Ergebnisse schieben. Die Liste enthält außerdem doppelt so viele Ergebnisse wie in der Google-Standardeinstellung und macht auf diese Weise das Weiterblättern weniger nötig. Neben Google, lassen sich in „alernia“ auch andere Suchmaschinen wie Bing, Yahoo oder ixquick direkt ansteuern.
Doch auf der Suche nach Informationen im Netz möchte man ja oft gar keine Suchergebnislisten sehen (oder sie bringen einen nicht weiter). Hier erweist sich das Menü als durchaus geeignetes Werkzeug, um andere Quellen in Anspruch zu nehmen. Will man keine Suchergebnisse, sondern Infos über einen Gegenstand, leitet einen die Auswahl des Menüpunkts „Lexikales“ ohne Umwege zum Wikipedia-Artikel. Interessant ist die Möglichkeit, statt „Web“, „Bildern“ oder „Video“ eine Option namens „Intelligenz“ als Quelle zu wählen: Viele kennen es nur zu gut, nach stundenlangem Googeln am Ende des persönlichen Lateins angekommen zu sein. Jetzt muss ein Mensch gefragt werden. In solchen Fällen eignet sich die „Intelligenz“-Option, um die Eingabe als Frage unkompliziert im Expertenforum von „alernia“ zu veröffentlichen, ohne Registrierung per Passwort. Auf entsprechende Antworten kann man sich, falls gewünscht, per E-mail aufmerksam machen lassen.
Zahlreiche Optionen
Das besagte Menü – nennen wir es zur Unterscheidung von anderen Menüs auf der Webseite mal „Servicemenü“ – entpuppt sich beim weiteren Experimentieren als riesiger Komplex mit zahlreichen Unteroptionen. Seine Hauptpunkte sind:
– Web & Text
– Lexikales
– Bild & Sound (mit den Unterpunkten „Bilder“, „Video“ und „Audio & MP3“)
– Downloads & Games
– Intelligenz
– [mehr…]
Wohl als Hauptpunkte sekundärer Natur sind die Unterpunkte von „[mehr…]“ gedacht:
– Adressen
– Ermitteln (z.B. für Berechnungen oder die aktuelle Uhrzeit)
– Fahrt & Flug
– Karte
– Waren & Angebote
Jeder dieser Hauptpunkte hat zahlreiche Unterpunkte, deren Aufzählung hier den Rahmen sprengen würde. Einige Quellen sind nicht extern und machen einen innovativen bis experimentierfreudigen Eindruck, wie z.B. die Unteroption „Lexikales > Enzyklopädien > Web (alernia-Modus)“, welche das Internet per se als Lexikon benutzt und manchmal weit Nützlicheres ausspuckt als Wikipedia (z.B. bei „Französische Revolution“, „Reguläre Ausdrücke“), manchmal aber auch derzeit wenig Brauchbares (z.B. „Solarenergie“). – Deutlich besser als bei Google ist die Fahrplansuche, die bei „alernia“ nach der Eingabe und Wahl der Option „Fahrt & Flug“ direkt zur Seite der Deutschen Bahn führt. Das Bemerkenswerte hierbei ist, dass anders als bei Google auch der Nahverkehr abgefragt werden kann, und zwar detalliert und in einer erstaunlich natürlichen Sprache, z.B.: „von Hannover Humboldtstraße nach Frankfurt am Main Hügelstraße am Freitag um 20.30 Uhr Ankunftzeit“. – Andere Optionen des Servicemenüs sind wohl eher als augenzwinkernde Spaßoptionen gedacht, beispielsweise diverse Unterpunkte der „Intelligenz“, die u.a. mit einem externen Chat-Roboter aufwartet, der auf die Eingaben im Suchfeld reagiert.
Daher lässt sich „alernia“ als die Bündelung hunderter Suchmaschinen/Suchmodi begreifen. Trotz dieser Mächtigkeit bleibt das Servicemenü vergleichsweise einfach zu handhaben, da es einigermaßen logisch organisiert ist und auf den höheren Ebenen allzu lange Untermenüs vermeidet. Wo es doch mal ein übermäßig langes Menü gibt, ist dies insofern verzeihlich, da sich die Menüoptionen anhand ihrer Anfangsbuchstaben „anspringen“ lassen – mit dem Trick des kurzen vorherigen Tippens der Strg-Taste dann auch völlig unabhängig vom Öffnen des Servicemenüs. So lässt sich beispielsweise das relativ tief verschachtelte „ebay“ nicht nur mit Maus oder Pfeiltasten, sondern auch mit der Tastenfolge „Strg, E, B“ erreichen und abfragen.
Zaubersprünge
Selbst diese Vereinfachung würde aber nervig, sobald man ein- und dieselbe Quelle mehrfach hintereinander nutzen wollte. Man stelle sich vor, man sucht im Französisch-Wörterbuch zehn verschiedene Wörter hintereinander und müsste jedes Mal „Strg, F, R“ tippen, oder zehn Mal hintereinander hierhin navigieren: „Lexikales > Wörterbuch > Französisch“. Glücklicherweise ist auch für diesen Fall vorgesorgt: Das bloße Enter-Drücken ohne Menünutzung bewirkt die Abfrage der zuletzt beanspruchten Quelle. Erinnert sich der Recherchierende nicht mehr, welche dies ist, lässt sich das am unteren Seitenrand ablesen – der allerdings etwas klein geraten ist.
Bei der weiteren Benutzung ist festzustellen, dass „alernia“ den Komfort-Aspekt auf die Spitze zu treiben sucht – was auch zu gelingen scheint: Nach Absenden einer Anfrage bleibt der Textcursor im Eingabefeld, so dass nach einer Eingabe ohne umständliches erneutes hineinklicken in das Feld ggf. sofort die Suchbegriffe geändert oder die Suchquelle gewechselt werden können. Auch das von den gängigen Suchmaschinen bekannte nochmalige Hinscrollen zum Eingabefeld und die störende Suche danach entfallen, da es immer auf dem Schirm bleibt. Ist der Cursor doch mal nicht mehr im Eingabefeld, genügt die F6-Taste, um wieder hineinzuspringen – von dem Webdienst selbst „Zaubersprung“ genannt.
Irgendwann wird einem auch klar, warum „alernia“ auf einen Suchbutton verzichtet: Das Überfahren des Eingabefelds mit der Maus öffnet automatisch das Service-Menü, deren einzelne Punkte dasselbe wie Suchbuttons leisten. Ein leicht erreichbarer Menüpunkt namens „[wie eben]“ ermöglicht, per Maus die eben benutzte Quelle erneut zu benutzen. Das ist besonders bei tiefer verschachtelten Quellen nützlich. Ebenfalls nützlich ist die Einblendung von zur aktuellen Quelle passenden Quellen, z.B. um einen Lexikonartikel unkompliziert per Mausklick in mehreren anderen Lexika hintereinander anzeigen zu lassen, so dass man stets einen Vergleich mit den als unsicher geltenden Wikipedia-Infos hat, oder um einen Artikel bei eBay und mehreren anderen Verkaufshäusern hintereinander zu suchen.
Die „Eingabetube“ hat auch jenseits des Servicemenüs einige Überraschungen parat: Gibt man einen Domainnamen in das Suchfeld ein, z.B. („yahoo.de“), werden keine Suchergebnisse, sondern die dazugehörige Webseite selbst angezeigt, ohne dass das Eingabefeld verschwindet. Gibt man den Domainnamen in runde Klammern eingefasst ein, wird die dazugehörige Seite automatisch per Proxy, also anonym, angesurft. Das hat den Nebeneffekt, dass viele gesperrte Youtube-Videos wieder zum Laufen gebracht werden können.
Ein Minuspunkt sind die Eingabevorschläge, welche im Vergleich zu Google sehr spärlich erscheinen. Ausgleichend wirkt allenfalls, dass sich „alernia“ wenigstens bereits getätigte häufige Eingaben der Vergangenheit merkt und in den Vorschlägen anzeigt. (Letzteres sucht man bei Google oder der deutschen Version von Bing derzeit vergeblich.) Auch könnte die untere Menüleiste mit Extra-Optionen und Infos ruhig etwas größer sein, denn man kann sie leicht übersehen. Zu guter Letzt wäre eine Unterstützung weiterer Browser außer Mozilla Firefox und Internet Explorer wünschenswert.
Fazit
„alernia“ ist auf jeden Fall eine interessante Abwechselung im Reich der Suchwerkzeuge und bietet zahlreiche Vorteile und Erleichterungen gegenüber der herkömmlichen Art und Weise der Suche nach Informationen im Netz. Laut seinem Weblog befindet es sich allerdings noch im Alpha-Stadium, was man dem Projekt auch hier und da auch anmerkt. Nichtsdestotrotz kann dem User die regelmäßige Nutzung Spaß machen, Arbeitsschritte verkürzen und ihn an Informationen gelangen lassen, die sonst nur umständlich oder für den durchschnittlichen Websurfer gar nicht erreichbar wären.