Seo Jones und das Bermuda-Dreieck

Irgendwo in Transsilvanien auf einem verlassenen Gutshof, fernab jeder Zivilisation: Auf dem Hof tuckern vier Generatoren. Entlang der Mauern stehen sieben mannshohe Satellitenschüsseln. Im ehemaligen Speisesaal läuft eine junge Frau mit schwarzen, nur wenigen Millimeter langen Haaren auf und ab. Das Top mit Spaghettiträgern und der Minirock mit seitlichem Schlitz lassen der Phantasie nicht mehr viel Raum. Der Widerhall des Stakkatos ihrer Pumps übertönt das Summen der Rechner und Monitore, die den Raum in ein bizarres Licht tauchen. Die Frau nimmt ihr Funktelefon und wählt.

Im Büro von Seo Jones klingelte das Handy. „Ja, wer stört?“, meldete sich der Linkologe. Am anderen Ende der Leitung hörte er ein Lachen. „Ich habe schon gehört, dass Sie ein kleiner Morgenmuffel sind. Mein Name ist Gerlind vom Berg, die Schwester von Gandolf vom Berg. Erinnern Sie sich?“ Der Professor musste nicht lange überlegen. Er würde nie vergessen, wie dieser Mann starb. „Gut, Sie wissen es also. Dann hören Sie gut zu. Ich will Rache. In 36 Stunden ist es soweit. Dann stürzt die Welt ins Chaos. Sie haben zwei Möglichkeiten: Sie spielen wieder den Retter in der Not und sterben. Oder Sie lassen den Dingen ihren Lauf und sehen zu, wie der Planet in seinen Grundfesten erschüttert wird.“ Seo Jones blieb nicht viel Zeit zum Überlegen. Gerlind vom Berg ließ ihm keine Gelegenheit dazu: „Sehen Sie sich in einer Stunde Ihre Links an. Damit das Spiel nicht zu langweilig wird, hier ein Tipp: das Bermuda-Kreuz. Mehr sage ich nicht. Wir sehen uns – vielleicht.“

Nachdem Gerlind vom Berg aufgelegt hatte, startete Seo Jones seinen PC. Selbst in den Spezialdatenbanken des linkologischen Institutes fand er keinen Hinweis auf das Bermuda-Kreuz. Er musste also wieder in die Bibliothek und dort suchen. „Ich bin die nächste Zeit nicht zu erreichen“, sagte er seiner Assistentin Anna Lytics und ging. Exakt nach einer Stunde kam er zurück und schaute auf die Links in seinen Regalen und Vitrinen. Einige von ihnen hatten ihren Glanz verloren und schienen matt. Nach und nach vollzog sich dieser Wandel überall in seinem Büro. Wenig später klingelte wieder das Telefon. „Viel Erfolg, Mr. Jones.“

34 Stunden und 26 Minuten noch – wenn Gerlind vom Berg die Wahrheit sagte. Nach einer scheinbar unendlichen Blätterei in hunderten Büchern hatte Seo Jones endlich gefunden, wonach er suchte. „Das Bermuda-Kreuz ist aus der Zeit, da Gut und Böse um die Vorherrschaft auf der Welt kämpften. Vier Links des Teufels markierten die Ecken des Kreuzes. In der Mitte leuchtete 36 Stunden später das Licht der Macht. Das Gute gewann und die Teufel-Links verschwanden spurlos. Sie konnten nur durch geweihtes Wasser entmachtet werden, gleichzeitig, nicht einzeln für sich. Für das Licht der Macht ist ein jungfräulicher Link nötig, der es in einen Funkenschweif verwandelt.“ Zusätzlich zu diesen Informationen waren lediglich vier Koordinaten genannt. Sie sie zu entschlüsseln, würde dauern. Gerlind vom Berg hatte einen enormen Vorsprung.

Gemeinsam mit Historikern, Geologen und Geographen fand Seo Jones heraus, wo die vier Links des Teufels platziert sind. Doch ihm blieben nur knapp 30 Stunden. Sehr wenig Zeit, zumal die Links rund um den Globus verteilt waren und das Ritual gleichzeitig vollzogen werden musste. Er rief vier Linkologen an – Sistrix, Gretus, Mediadonis und Fridaynite – und bat sie um Hilfe. Er selbst würde in die Mitte des Kreuzes reisen, ins berüchtigte Bermuda-Dreieck. Irgendwo auf See befand sich der Schnittpunkt der vier Ecken. Dort, wo seit Jahrhunderten Schiffe und Flugzeuge verschwinden. Das Licht der Macht schien dort vor Ewigkeiten das Raum-Zeit-Kontinuum verschoben zu haben.

Der Flug mit dem Privatjet eines Sponsors der Universität dauerte nicht lange. Umso schwerer war es für Seo Jones einen Kapitän zu finden, der sein Schiff mitten ins Bermuda-Dreieck steuert. Es würde knapp. Die Meldungen über Links, deren Macht auf unerklärliche Weise erloschen war, mehrten sich. In wenigen Stunden gäbe es einfach nur noch Links ohne jede Bedeutung. Zwischendurch stimmte sich der Linkologe immer wieder mit seinen vier Freunden ab. Sie hatten ohne lange zu überlegen zugestimmt, ihm zu helfen. Jeder von ihnen reiste mit einer Phiole voller Weihwasser im Gepäck.

„Wenn die Koordinaten stimmen, bin ich in einer Stunde dort“, erklärte Sistrix. Die übrigen Experten hatten es ebenfalls beinahe geschafft. Gretus meldete kurz: „Sitze im Wagen. Es sind nur noch wenige Kilometer.“ Der Dritte im Bunde, Mediadonis, war schon weiter und stand vor dem ersten Link des Teufels. „Erschreckt Euch nicht. Vermutlich liegt auch bei Euch eine verkohlte Leiche neben dem Link. Man sollte sich halt nicht mit dem Beelzebub anlegen.“ Nach 20 Minuten kam endlich die Rückmeldung von Fridaynite. „Entschuldige, Seo. Der Zoll hat mir das geweihte Wasser abgenommen. Ich musste erst einen Geistlichen finden. Jetzt bin ich kurz vorm Ziel.“ Seo Jones befand sich bereits auf dem Meer. Der Kapitän eines Seelenverkäufers hatte den Job angenommen und war in See gestochen. „Ich habe schon mit dem Teufel getanzt“, grinste er, als er seinen Lohn entgegennahm.

Während Sistrix, Gretus, Mediadonis und Fridaynite auf den Befehl warteten, die Links des Teufels unschädlich zu machen, bekam Seo Jones die ganze Gewalt des Wassers zu spüren. Das Schiff stampfte mühevoll durch die Wellen. „Wir sind gleich da, allerdings spielt der Kompass verrückt“, rief der Kapitän gegen das Tosen an. Der Linkologe kontrollierte auf seinem GPS-Empfänger die Daten. „Heilige Maria Mutter Gottes. Was ist das denn?“ Der Seebär staunte. Vor ihnen türmte sich eine golden schimmernde Nebelwand auf. „Fahren Sie durch“, befahl Seo Jones. „Sie sind der Chef“, antwortete der Kapitän, dessen sonnengegerbte Haut plötzlich fahl wirkte.

Hinter der Nebelwand erwartete die beiden ein atemberaubender Anblick. Das Meer war absolut ruhig. Über ihnen hing eine Blase in der Luft, in der Millionen kleiner Lichter umherschwirrten. „Hoffentlich habe ich hier Empfang.“ Seo Jones nahm sein Satellitentelefon und rief über Konferenzschaltung die vier Linkologen an. „Es geht los. Auf mein Zeichen tropft ihr das Weihwasser auf die Links. Was immer passieren mag, ich danke Euch.“ Mediadonis, Fridaynite und Sistrix bestätigten, dass sie verstanden hatten. Gretus sagte nur still: „Jeronimo.“

Gerade, als Seo Jones den Befehl geben wollte, kam ein Motorboot näher. „Ach, sieh an. Sie wollen also doch die Welt retten.“ Gerlind vom Berg stand an der Reling, in der Hand ein Megaphon. „Ich habe hier das Zepter des Teufels. Damit werde ich die Macht aller Links bündeln.“ Aus dem Lautsprecher des Funktelefons des Linkologen war ganz leise „die hat doch einen Knall“ zu hören. „Jetzt“, rief Seo Jones. Seine vier Freunde legten los. Ein leises Zischen zeigte ihnen, dass sie Erfolg hatten. „Du bist dran, Seo“, sprach Mediadonis mit zittriger Stimme ins Telefon. Der Professor zog den jungfräulichen Link aus einem Lederetui und warf ihn in die Blase über sich. Sie zerbarst und die Lichter zerstreuten sich in alle Richtungen und gaben den Links überall auf der Welt den Glanz zurück.

„Das war ein Fehler“, sagte Gerlind vom Berg, „die Macht der Links und die Macht des Bermuda-Dreiecks haben sich die Waage gehalten. Jetzt ist das Gleichgewicht zerstört.“ Kaum hatte sie es ausgesprochen, wurde die stille See rau wie ein Reibeisen. Die Nebelwand schob sich immer näher an die Schiffe. Das Motorboot der jungen Frau wurde als erstes wie von einem Magneten in den Nebel gezogen. „Wir sehen uns in der Hölle, Seo Jones“, schrie sie. Der Linkologe nahm sein Telefon, schrieb eine Kurznachricht mit drei Worten an seine Assistentin, ehe auch das Schiff mit ihm und dem Kapitän immer schneller ins Ungewisse trieb.

2 Gedanken zu „Seo Jones und das Bermuda-Dreieck“

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