Seo Jones und der Weihnachtsmann

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Seo Jones hatte schon viele Abenteuer erlebt, war von einer Sekte eingekerkert worden, musste mit ansehen wie ein Mensch durch die Macht eines Links zu Staub zerfiel. Doch das, was ihm diese Nacht wiederfahren sollte, stellte all das in den Schatten.

Es war der 23. Dezember. Anna Lytics, die Assistentin des Professors, packte ihre Tasche und zog sich den Wintermantel an. „Schöne Feiertage, Professor.“ Der Linkologe spielte gedankenverloren mit einem der Links, die er vor wenigen Tagen in einer Höhle in Norwegen gefunden hatte. Er blickte nur kurz auf: „Gleichfalls.“ Die Assistentin wollte schon gehen, drehte sich aber noch einmal um, überlegte und sagte dann: „Sie wissen ja, ein paar Freunde kommen zu mir, Weihnachten feiern. Sie sind herzlich eingeladen. Mein Kartoffelsalat ist legendär.“ Die Antwort des Professors fiel erneut sehr knapp aus: „Danke, mal sehen.“

Für Seo Jones waren die Weihnachtsfeiertage ein Graus. Als Kind hatte er von seinem Vater jedes Jahr nur Links bekommen, alt und irgendwie langweilig. Auf das rote Fahrrad mit Bananen-Sattel wartete er noch heute. Wäre die Oma nicht gewesen, hätte der Weihnachtsmann ihm gar kein Spielzeug gebracht. So hing Seo seinen Gedanken nach und starrte auf die Kerze, die Anna Lytics ihm auf den Schreibtisch gestellt hatte. Die hypnotische Wirkung des Flackerns zeigte bald Wirkung. Seo Jones schlief am Schreibtisch ein.

Ein Poltern und Krachen riss den Linkologen aus dem Schlaf. „Verdammt nochmal, was soll das?“, fluchte er und sah, wie Staub in den Kamin rieselte. Wenige Sekunden später tauchte dort das bärtige Gesicht eines Mannes auf. „Jetzt hilf mir mal, ich werde auch nicht jünger.“ Seo Jones verstand gar nichts mehr, packte den Arm des Mannes und zog ihn aus dem Kamin. „Danke, Seo. Ich bin der Weihnachtsmann.“ Der Professor schüttelte den Kopf: „Euch Studenten fällt auch nichts Besseres ein.“ Der Mann mit der roten Mütze, der roten Jacke und der roten Hose lachte. „War ja klar, aber deshalb bin ich hier.“

In den nächsten Minuten versuchte der Weihnachtsmann Seo Jones davon zu überzeugen, dass er kein Student oder Hilfsarbeiter ist. Doch alles Reden nützte nichts. Der Weihnachtsmann nahm Seo, zog ihn Richtung Kamin und ehe der Professor merkte, wie ihm geschah, saß er über der Universität schwebend in einem Rentierschlitten. „Wow“, mehr fiel dem Linkologen nicht ein. Er saß mit offenem Mund neben dem Weihnachtsmann. Der schnappte sich die Zügel. Der Schlitten nahm Fahrt auf.

Nach wenigen Sekunden fand Seo die Sprache wieder und war zumindest in der Lage, ein paar Wortfetzen von sich zu geben. „Wie geht…, was soll. Du bist der Weihnachtsmann?“ „Ja, Seo, ich bin der Weihnachtsmann und wenn Du glaubst, Du träumst“, sagte es und schnippte dem Linkologen an die Nase. „Aua, spinnst Du?“ Der Weihnachtsmann grinste. „Kneifen macht keinen Spaß mehr.“ So flogen sie über die Stadt. Seo kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Musst Du denn keine Geschenke verteilen?“, fragte er. Der Weihnachtsmann sah ihn an: „Das haben wir an externe Dienstleister ausgelagert. Ich bin mehr für Public Relations zuständig. Du weißt schon, die Magie der Weihnacht in die Herzen der Menschen bringen.“

„Was habe ich damit zu tun?“, wollte Seo wissen. Der Weihnachtsmann stoppte den Schlitten. „Du bist einer von denen, die nicht glauben. Deshalb bin ich hier.“ Der bärtige Mann schaute Seo tief in die Augen. „Du hast den Glauben an mich verloren, weil kein Fahrrad oder eine elektrische Eisenbahn auf dem Gabentisch lagen. Doch überlege einmal: Wo wärst Du heute, wenn Dein Vater Dir nicht die Links geschenkt hätte? Vielleicht würdest Du in einer Bank oder als Gärtner arbeiten. Das sind tolle Jobs. Aber Du bist Linkologe geworden. Die alten Links, die Dein Vater Dir geschenkt hat, sind die Basis Deines Erfolgs. Du kennst die ganze Welt, bist angesehen und trotzdem undankbar. Dabei hast Du die Links immer sauber gehalten, so wie es Dein Vater Dir gezeigt hat. Sie stehen heute noch in Deinem Regal. Vielleicht waren sie doch genau die Geschenke, die Du Dir insgeheim gewünscht hast, weil Du Deinen Papa bewunderst. Denke darüber nach.“

In dem Moment flog der Schlitten weiter. Seo blieb kaum Zeit, die Worte zu verarbeiten, als der Weihnachtsmann ihm auf die Schulter klopfte. „Sieh mal da unten.“ Unter ihnen war ein hell erleuchtetes Gemeindezentrum. Sie hörten Gesang. „Das sind Kinder, die von einem Fahrrad oder einer Eisenbahn nur träumen dürfen. Die haben es nicht so gut wie Du es damals hattest.“ Der Weihnachtsmann steuerte den Schlitten näher an die Fenster. Die Kinder saßen mit ihren Eltern an Tischen, aßen Bockwürstchen mit Kartoffelsalat. Unter einem Tannenbaum lagen kleine Päckchen. „Diese Feier wäre fast ins Wasser gefallen“, erklärte der Weihnachtsmann in ungewohnt erstem Ton. „Du meinst, die Macht der Links zu kennen? Du weißt gar nichts, Seo. Viele kleine Links haben ein Wunder wahr werden lassen. Es wurde plötzlich gespendet, Geld, Spielzeug, weil die Links die Botschaft in die Welt getragen haben. Ich nenne das Links for Charity.“

Sie schauten noch ein wenig durch die Fenster. Das Leuchten in den Augen der Kinder, als sie ihre Geschenke erhielten, beschäftigte Seo Jones noch, als sie längst wieder unterwegs waren. „Und jetzt, zeigt Du mir die Links der Zukunft?“ Der Weihnachtsmann hätte vor lauter Lachen fast die Zügel losgelassen. „Zu viel Charles Dickens gelesen, was? Ich habe keine Glaskugel, um in die Zukunft zu schauen. Da musst Du mal den Osterhasen fragen. Der hat sich so ein Ding gekauft und sitzt jetzt auf vier Tonnen rosa Eierfarbe, weil die laut Kugel in sein sollte. Dabei wollten alle nur Rot und Blau.“ Auf dem Weg zurück zur Universität unterhielten sich Seo und der Weihnachtsmann über Gott und die Welt. Als sie wieder im Büro standen, verabschiedete sich der Weihnachtsmann: „Denke daran, die Magie der Weihnacht lässt sich nicht in Papier packen. Sie ist in den Herzen der Menschen, auch bei Dir, nur tief verborgen.“

Ein lauter Knall riss Seo Jones aus dem Schlaf. Einige Studenten warfen mit Schneebällen auf seine Fenster. „Doch alles nur ein Traum“, dachte sich Seo. Er reckte sich, stand auf und sah in der Nähe des Kamins etwas aufleuchten, als die Sonne ins Büro schien: ein Fahrrad mit Bananen-Sattel. Seo rieb sich die Augen, ging auf das Fahrrad zu und fand einen Zettel am Lenker. „Viel Spaß damit. Ich hoffe, die Farbe stimmt. Dein Freund, der Weihnachtsmann.“ Der Linkologe nahm das Rad, stieg auf und fuhr etwas wackelig, aber stolz wie Oskar über die Flure der Universität. In diesem Jahr sollte er zum ersten Mal den legendären Kartoffelsalat von Anna Lytic probieren und hatte tatsächlich Spaß daran, im Kerzenschein mit seiner Assistentin und ihren Freunden Weihnachten zu feiern.

8 Gedanken zu „Seo Jones und der Weihnachtsmann“

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