Seo, der Söldner, sinniert über die Welt von heute

Wenn Seo der Söldner, von seiner Wolke herabblickt, sieht er eine in vielerlei Hinsicht veränderte Welt. Das Reich von Königin Googela ist deutlich größer geworden, obwohl Nachbarn wie Fürst Bingo ihren Einfluss langsam ausbauen. Die Menschen fürchten nicht mehr Räuber mit Messern, sondern Diebe mit Laptops. Und seinen Nachfahren sind die Fußstapfen, die er einst voller Stolz hinterließ, längst zu klein geworden. Sie setzen neue, eigene Zeichen, die vom Wirbel der Zeit immer schneller in die Vergessenheit getragen werden.

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„War das schön“, murmelt Seo. Mit Freude denkt er daran zurück, wie er Googela bezirzte und das Ranking der Dörfer verbesserte. Die Königin hielt ihre Karten zwar immer verdeckt, war seit jeher wankelmütig und ganz sicher nicht leicht zufriedenzustellen. Dafür ließ sich zumindest erahnen, welche Reaktionen auf einzelne Aktionen folgen würden. Mit bunten Bannern, positiven Erwähnungen und Wegweisern schaffte man es relativ zügig, in der Gunst Googelas aufzusteigen. Inzwischen entlocken solche Bemühungen der mächtigen Königin mitunter nur ein müdes Lächeln.

Zu seiner Ära hätte man angesichts der Algorithmen, die heute von geheimen Zirkeln in gut bewachten Kammern programmiert werden, von Zauberei gesprochen. Die Königin deshalb der Hexerei bezichtigen? Viel zu gefährlich, einst wie jetzt. Wer es wagt, die Hand zu heben oder sich den Gelüsten der Herrscherin zu verweigern, wird bestraft. Vom Sandkasten, der Seo ein Schaudern über den Rücken laufen ließ, hört man nur noch wenig. Doch erst ist noch da.

Umso gespannter beobachtet Seo die Bemühungen seiner Nachfolger. Kaum dreht Googela an einem neuen Rädchen oder legt einen weiteren Schalter um, müssen sie springen, damit ihre Arbeit nicht von der Maschinerie der Königin zerrissen wird. In der Stimme des Söldners schwingt Mitleid mit, wenn er leise murmelt: „Hartes Brot.“

Mit Tools und Tabellen, Technik und Trends kämpfen die Seos der Neuzeit um jeden Rang. Minimale Halbwertzeiten vieler Faktoren machen ihnen das Leben nicht gerade leichter. Das Rüstzeug eines guten Seo-Söldners wiegt daher längst schwerer als die Marschmontur eines Elitesoldaten. Ich packe meinen Koffer und nehme mit: Die missfeldtsche Bildoptimierung, kratzige Marketingstrategien, einen Superhelden, der OnPage für Ordnung sorgt – oder wie man damals sagte, das Dorf sauber hält –, die aus Millionen Daten erbaute sistrixsche Kapelle, ein paar spitze Bleistifte und nach Möglichkeit Magentabletten und Baldrian.

Zu allem Überfluss, findet Seo, der Söldner, müssen sich die modernen Recken jetzt auch noch als Dompteure beweisen. Googela hat mit Panda und Pinguin gleich zwei extrem gefährliche Tiere ins Rennen geschickt. Sie zu bändigen, ohne gepickt und gebissen zu werden oder in einen großen Haufen Mist zu treten, hat so manches Dorf überfordert. „Was kommt wohl als nächstes“, überlegt Seo. Er tippt auf ein Zebra. Das entspräche dem schwarz-weißen Weltbild der Königin. Ob es wohl während der Dekade der White-Hats und Black-Hats geprägt wurde?. Wer weiß das schon.

Die Zukunft ist auch für Seo ein Mysterium. Hätte er eine Glaskugel, würde er den tapferen Helden von heute sein Wissen leise ins Ohr flüstern. So bleiben ihm auf seiner Wolke nur Gedankenspiele und die Erkenntnis: Wer nach oben möchte, darf sich nicht auf halber Strecke ausruhen und sollte auf dem Gipfel aufpassen, nicht von der nächsten Googela-Böhe zurück ins Tal geweht zu werden.


Anmerkung von Gerald: Diese Geschichte widme ich Marco Janck und seiner Sumago Truppe.

2 Gedanken zu „Seo, der Söldner, sinniert über die Welt von heute“

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